Was ist ein Vertragsverletzungsverfahren und wie läuft es ab?

Mit einem Vertragsverletzungsverfahren können die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten Verstöße eines Mitgliedstaates gegen das EU-Recht geltend machen. Das Verfahren ist in den Art. 258 bis 260 AEU-Vertrag (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) geregelt.

Vertragsverletzungsverfahren spielen eine große Rolle bei der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung der Europäischen Union. Die EU-Kommission ist als Hüterin der Verträge grundsätzlich verpflichtet, gegen objektive Verletzungen des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten einzuschreiten. Bei drohender oder bereits eingetretener Vertragsverletzung muss die Kommission nicht sofort das Verfahren einleiten, sondern kann zunächst versuchen, auf dem Verhandlungsweg eine gütliche Einigung zu erzielen.

Wie läuft ein Vertragsverletzungsverfahren ab?

Adressat eines Vertragsverletzungsverfahrens ist für die EU-Kommission immer der EU-Mitgliedstaat selbst, also die Bundesrepublik Deutschland, auch wenn es sich um potentielle Rechtsverstöße in der Zuständigkeit oder auf Ebene eines Bundeslandes (oder zum Beispiel auch eines Landkreises) handelt.

Das Verfahren selbst ist in ein Vorverfahren und ein gerichtliches Verfahren unterteilt und besteht aus drei Stufen. Wenn die Kommission vermutet, dass europäisches Recht nicht fristgemäß, unvollständig oder überhaupt nicht in nationales Recht umgesetzt wurde, sendet sie im Vorverfahren:

  1. Ein Fristsetzungsschreiben/Mahnschreiben (in dem die Europäische Kommission einen Mitgliedstaat auffordert, innerhalb einer bestimmten Frist zu einem aufgetretenen Problem der Anwendung des Unionsrechts Stellung zu nehmen).
  2. Eine mit Gründen versehene Stellungnahme (Hier wird der Gegenstand einer möglichen Vertragsverletzungsklage vor dem Gerichtshof dargelegt und der Mitgliedstaat aufgefordert, den Verstoß innerhalb einer bestimmten Frist abzustellen)

    Als letzte Stufe erfolgt mit der Anrufung des Europäischen Gerichtshofs

  3. Die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens. Diese kann eingebracht werden, wenn der Mitgliedstaat der begründeten Stellungnahme der Kommission nicht nachkommt. Dabei ist das außergerichtliche Vorverfahren grundsätzlich Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klageerhebung beim Europäischen Gerichtshof. Wenn der Gerichtshof eine Vertragsverletzung feststellt, kann er z.B. ein Zwangsgeld oder andere Strafzahlungen verhängen.

Wie häufig gibt es Vertragsverletzungsverfahren?

Dem letzten jährlichen Bericht zur Anwendung von EU-Recht können Sie für 2009 zum Beispiel folgende Zahlen entnehmen: Im Jahr 2009 erhielt Deutschland 42 Fristsetzungsschreiben und 18 mit Gründen versehene Stellungnahmen. In fünf Fällen wurde der Gerichtshof angerufen.

Pressekontakte

Christian Wigand, Pressesprecher der EU-Kommission für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung
Tel. +32(0)2 29 62253, undefinedchristian.wigand(at)ec.europa.eu

Katrin Abele, Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Pressestelle
Tel. +49 (0)30 2280 2140, undefinedkatrin.abele(at)ec.europa.eu